"Gut Richardshoven"
Das Gut Richardshoven liegt am westlichen Rand des kleinen Dorfes Niederembt, westlich von Köln. Wäre ich nicht durch widrige Umstände als einziges von fünf Kindern im Krankenhaus geboren, hätte ich hier das Licht der Welt erblickt. Jedenfalls bin ich hier aufgewachsen, verlebte Kindheit und Jugend hier. Ein kleines Dorf, wie es so viele in dieser Gegend westlich von Köln gibt. Geprägt durch Landwirtschaft, Braunkohletagebaue und Kohlekraftwerke. Sollte die Politik weiterhin Elektrizität aus Kohle gewinnen wollen, wird dieses Dorf wohl auch das Schicksal vieler Dörfer in dieser Region teilen: Es wird einfach abgebaggert. Auch wenn diese Industrie den Menschen hier Lohn und Brot und darum ein relativ sorgenfreies Leben verschafft, vergisst man doch allzuleicht, daß damit auch jahrhundertelange Geschichte zerstört wird. So auch die Geschichte dieses kleinen Dorfes im Embetal, die lange auch durch diese ehemalige Wasserburg bestimmt wurde.Erstmal urkundlich erwähnt wird ein Richardus von Embe 1099, durch die Geschichte war das Gut zeitweise ein Rittergut, vor allem aber immer der Mittlepunkt eines großen landwitschatflichen Betriebs, bis heute. Die dort ansässige Familie besaß im Dorf immer einen gutsherrlichen Ruf, dort wohnten feine Leute.
 In meiner Zeit herrschte die Gutsherrin Frau Bayer über diesen Betrieb.
Eine tiefe Verbundenheit mit der örtlichen Kirche durch die Gutsherrenfamilie wird deutlich wenn man weiss, daß eine reiche Schenkung Ende des 18. Jahrhunderts dem Gotteshaus eine opulente Ausstaffierung bescherte. Mich verbindet mit Kirche und Gutshof eine bedondere Geschichte.
Als Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts  die Kirchengemeinde beschloss in der St. Martinuskirche eine Fußbodenheizung einzubauen, wurden die schweren Basaltsteine des Bodens entfernt. Im nördlichen Seitenschiff kam unter den Steinen eine alte Sandsteingrabplatte mit zwei Wappen geschmückt zum Vorschein. Daneben fand man eine ca. 2x1m große gemauerte Steinumrandung. Ob dieses Fundes verständigte man die Archäologen des zuständigen Rheinischen Museums Bonn, die daraufhin eine umfassende Ausgrabung im gesamten Kircheninnenraum veranlassten.
 Da ich zu dieser Zeit Vor- und Frühgeschichte und klassische Archäologie in Bonn studierte bekam ich natürlich Wind von der Ausgrabung und als der Grabungsleiter hörte, daß ich "vom Fach" war, bat er mich mitzugraben, da sie arg unter Zeitdruck standen. Das Grab entpuppte sich als Priestergrab aus dem 19 Jahrhundert, aber es konnten Überreste von drei alten Kirchen, die älteste aus der romanischen Zeit, wahrscheinlich 9. oder 10.Jahrhundert, gefunden werden. Glanzpunkt war ein fast vollständig erhaltener romanischer Fliesenboden, der aus roten und schwarzen Fliesen mit einem Strahlenmuster bestand. Aufruhr entstand eines Tages, als die Gutsherrin von Gut Richardshoven die Ausgrabung besuchte. Sie erkannte mich und wandte sich direkt an mich, ob ich einmal bei ihr vorbeisehen könne, um ihr von den Ausgrabungsergebnissen zu berichten. Uiuiui, was für eine Ehre. Tage später rief sie mich an und lud mich in den Gutshof.
Als ich, mit Zeichnungen und Aufzeichnungen bewaffnet dem Gutshof näher kam, rutschte mir das Herz vor Aufregung schon in die Hose. Ich wurde regelrecht gutsherrlich mit Kaffee und Kuchen bewirtet. Zögerlich fragte ich, ob ich rauchen dürfe und als ich nach der Erlaubnis meinen Tabak und Blättchen auspackte, schliesslich war ich ein armer Student, holte die Gutsherrin ein kleines Kästchen und stellte es vor mich hin. Mit einem Kopfnicken forderte sie mich auf den Rollverschlus des Kästchens zu öffnen und zum Vorschein kamen geöffnete Packungen verschiedener Zigarettensorten, wobei sie mich zum Zugreifen aufforderte. Auch sie nahm eine Zigarette und so saßen wir paffend im Salon des Guts Richardshoven.